Tag 1
Tagesetappe: 560 Km
Tourkilometer: 560 Km
Tagesmotto: "Warmfahren"
Tageshighlight: Timmelsjoch Hochalpenstraße
Ankunft: Fusch an der Großglocknerstraße, Hotel Lampenhäusl
Schlafplatz:47°13'29.7"N 12°49'36.6"E
Der Treffpunkt ist vereinbart auf 08:00 Uhr an der Fachhochschule Vorarlberg in Dornbirn. Dieser Tag wird länger und anstrengender, als wir es erwarten ...
Erst am Abend vor der Abfahrt komme ich von einer anderen Reise zurück. Bis weit nach 22 Uhr ist packen und mein Motorrad satteln angesagt. Ich habe mir das Ziel gesetzt, so wenig wie möglich mitzunehmen. Die Kamera- & Videoausrüstung ist angewachsen, kostet Platz und sorgt für Gewicht. Das nervt ...
Fast schon als gewolltes Übel empfinde ich die Kameras. Sie nehmen mir die Freiheit einfach zu fahren, Momente zu "durchfahren". Binden meine Gedanken an Perspektiven, Panoramen, Hintergründe & Lichtverhältnisse. Ich muss gestehen, dass meine Bildaufzeichnungsmotivation gegen Null sinkt, wenn mir das Fahren Spaß bereitet... Zudem ist es sehr zeitaufwändig.
Die Tage sind kurz im Oktober. Es ist dunkel als mich der Wecker aus dem Schlaf reist. Nach einem heißen Kaffee besorge ich das Frühstück beim Bäcker, sitze auf und es geht los ... Musik an, Kopf aus & ab nach Austria.
Es ist ein kühler Morgen. Voll betankt warte ich an der FH auf Phil. Nach einer kurzen Besprechung und dem prophylaktischen Schlüsseltausch starten wir, fahren über das Bödele in Richtung Arlbergpass. Das Alpenpanorama und der blaue Himmel sind unbeschreiblich. Das Tal ist wolkenverhangen, der Fahrtwind schneidet kühl durch das geöffnete Visier ins Gesicht, teilweise sind die noch grünen Weisen zu sehen. Die Bäume sind herbstlich verfärbt und die Beggipfel bereits in weißer Pracht.
Wir stellen fest, dass der Funkkontakt super funktioniert. Es hatte vor wenigen Tagen ein paar Versuche gebraucht, bis wir das NOLAN Intercom und das SENA System verbunden hatten. Nun sind wir begeistert von der guten Qualität.
Je weiter wir in Richtung Arlberg fahren dest kälter wird es. In Schröcken beginnt eine geschlossene Schneedecke und erster Schnee liegt auf der Fahrbahn. Ich hatte mich dazu entschlossen in Sommerhose zu fahren, mehr bereue ich jedoch die Löcher an den Spitzen meiner Motorradstiefel, durch die nun die Nässe und vor allem die Kälte eindringen kann. In Hochkrumbach legen wir einen ersten kurzen Stopp ein. Anschließend geht es entlang des noch kleinen Lech über den Flexenpass weiter zum Arlbergpass. Die Temperatur bewegt sich im Bereich um erfrischende 1°C.
Vom Arlbergpass cruisen wir durch die Täler über Landeck, immer entlang der Inn, bis zum Ötztal. Der Schnee ist verschwunden und wir können die Gletscher bestaunen.
Hier mache ich mir erstaunlicherweise während der Fahrt darüber Gedanken, was es wohl für Unsummen gekostet haben muss, den Ort Ötz umzubenennen, nachdem die berühmte Bergmumie "Ötzi" gefunden wurde. Ich überlege mehrere Minuten und versuche den behördlichen Aufwand geistig zu rekonstruieren, da wird mir auf einmal klar ... dass das alles ja totaler Schwachsinn ist und das Ötztal und der Ort Ötz schon immer so hießen und wohl eher der "Ötzi" daher seinen Namen hat. Phil wundert sich einfach nur, warum der Affe hinter ihm auf einmal lauthalts über den Funk loslacht, ohne ersichtlichen Grund. Als ich über meinen geistigen Höhenflug berichte, können wir beide mehrere Minuten lachen.
Die Strecke ab Sölden bis zum Einstieg ins Timmelsjoch ist landschaftlich sehr schön und lässt sich super fahren. Jetzt kommt Schung in die Kiste ...
Das Timmelsjoch (www.timmelsjoch.com) nacht richtig fun, endlich mal wieder ein hoher Alpenpass. Es schmerzt nur, dass wir für diesen Spaß bezahlen müssen. Ist in Frankreich und den Pyrenäen doch fast jeder Pass ohne Hinderniss befahrbar, so ist es in Österreich und der Schweiz oftmals mit einer Entlohnung an den Straßenbauträger verbunden. Sprich, erstmal eine Mautstation durchqueren ... Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte, also ...
Video
Nach einer ausgedehnten Genusspause am Passo del Rombo, wie er auch heißt, geht es auf der italienischen Seite die Serpentienen hinab. Der Himmel ist strahlend blau, die Temperaturen in der Mittagszeit sind deutlich gesteigen, die Reifen kleben am Asphalt. Die Abfahrt lässt sich so gut fahren, dass wir am Ende der Serpentienen umdrehen und erneut hochfahren, dort wieder drehen und erneut abfahren 😀 Richtig geil!
In St. Leonhard in Passeier biegen wir auf die Jaufenstraße ab. Es geht den sonnige Bergflanke hinauf bis zum Jaufenpass. Der Blick ins Tal verführt zum Weiterfahren, direkt bis zum Mittelmeer. Das italienische Flair entfaltet sich. Auf der Passhöhe legen wir nur einen kurzen Stopp ein, um die Aussicht zu genießen und die Bekleidung anzupassen. Es ist bereits später Nachmittag. Wir haben immernoch eine weite Strecke vor uns. Wir beschließen zügiger zu fahren und Strecke zu machen, bevor die Sonne untergeht. Also Funk aus, Musik an und rollen lassen ...
Über den Brennerpass fahren wir ins Stubaital. Plötzlich geht es auf der Brennerstraße nicht weiter. Für die Autobahn haben wir keine Vignette. Von anderen Touren ist mir die Erfahrung geblieben, dass eine Baustelle oft kein Hinderniss für eine Enduro darstellt. Vereinzelt winkten mich die Bauarbeiter sogar höchstpersönlich durch. (Dieses Glück sollte uns auf dieser Reise nicht zu Teil werden). An der Baustelle angekommen sind die Arbeiten in vollem Gange. Es heißt drehen. Eine andere Straße an der gegenüberliegenden Bergflanke führt uns in eine Sackgasse. Wieder drehen. Wir beschließen an der Tankstelle eine Vignette zu kaufen. Dieser Stopp ist auch überflüssig, die Verkäuferin meint, es ist nur eine Ausfahrt weiter, wir brauchen keine Vignette. Unsere Fahrzeit auf der A13 beträgt keine 5 Minuten, beinhaltet eine Mautstation und kostet uns je 11 Euro ... Klasse!
Wir passieren Innsbruck südlich, kommen nur sehr langsam voran und es wird nicht besser. Auf unserer Strecke ist eine lange, frisch abgestreute Öl-Spur. Das Auto vor mir schleutert etwas Grannulat auf und mir direkt in mein Auge. Wer schonmal Granulat mit Öl im Auge hatte kann vermutl. meine Tränen die folgende halbe Stunde nachvollziehen 😀 Es beginnt bereits zu Dämmern, als wir nach rechts ins Zillertal einfahren. Laut Navi rückt unsere Ankunftszeit immer weiter in die Nacht.
Als wir am Ende des Zillertals zum Gerlospass starten ist es soweit: Die Sonne ist weg und minütlich fallen die Temperaturen. Wir sind am Ende. Wollen nurnoch ankommen.
Am Gerlospass kommen wir an eine geschlossene Mautstation. Hier geht es nicht weiter. Wieder etwas, was ich nicht verstehe. Wir drehen um und müssen zurück bis Königsleiten um die Nebenstecke über den Berg zu fahren. Entlang der Salzach geht es eine abenteuerliche Strecke hinab ins Tal. Die Straße überfriert bereits. Regelmäßig kommen wir ins Rutschen und Schlingern.
Nach fast 500 Kilometern, keiner Mahlzeit, Dunkelheit und Kälte wird es nun wirklich noch zum Kampf, endlich am heutigen Tag anzukommen.
Als auch noch völlig unerwartet auf gerader Strecke ein riesiges Tier, vermutl. ein Hirsch oder Dammwild, auf der Fahrbahn steht ist bei Phil endgültig genug für heute. Wir fahren stur geradeaus nach Mittersill, einfach geradeaus. Nun stört es auch nichtmehr, dass es ca. 10 Kilometer vor Mittersill zu regnen anfängt. Dann fahren wir halt durch den Regen. In Zell am See biegen wir endlich auf die Großglocknerstraße ab und fahren bis Pfusch.
Als wir in unserer Unterkunft Lampenhäusl einchecken sind einfach nur glücklich. Mopeds in die Garage, Gepäck aufs Zimmer, eine schnelle, heiße Dusche und wir bekommen im Restaurant sogar noch etwas warmes zu Essen. Der kurze Abend klingt entspannt aus ...
Wir werfen die Heizung an und fallen ins Bett. Dieser erste Tourtag hatte es unerwartet heftig in sich. Diese Jahreszeit ist im Gebirge nicht ohne, das sollten wir auch morgen Früh erneut merken ...
Nur eins bereitet mir vor dem Einschlafen Sorgen: Ein leichtes Kratzen im Hals und meine schwindende Stimme ... Das ist meist kein gutes Zeichen.