# 3 – Zurück nach Le Puy-en-Velay (FR)

Tag 3
Tagesetappe: 135 km
Tourkilometer: 911 km
Tagesmotto: Wir erkunden Le Puy
Tageshighlight: Französische Gastfreundschaft
Ankunft: , 43700 Saint-Germain-Laprade
Schlafplatz: 45°02'02.1"N 3°59'17.9"E

GB Moto

Die kleine Werkstatt im Herzen Frankreichs

Früh stehen wir auf und bauen das Zelt ab. Leichter Nebel hängt über dem Campingplatz und die Wiese ist feucht. Sarahs Koffer tragen wir hoch an den Parkplatz. Gerade ausgecheckt kommt auch schon der Abschlepper angefahren. "Bon Voyage". Er bringt uns zu der Werkstatt in die er gestern Sarahs Transalp gebracht hatte.

Ersatzteile Fehlanzeige, Reparatur Fehlanzeige.  

Ein Wort kennen wir inzwischen viel zu gut: „Alternateur“, also Lichtmaschine. Es kann uns weiterhin keiner sagen, was kaputt ist. Auf dem Hof der Werkstatt stehend erfahren wir, dass die Reise die ganze Strecke zurück nach Le Puy geht. Dort gibt es eine Endurowerkstatt, da werden sie uns helfen.  

Ich genieße komischer Weise die Fahrt zurück über die Hochebene und durch den kühlen Morgen. Sarah sitzt im Abschleppwagen mit dem Fahrer, ich folge auf zwei Rädern. Wir fahren durch Le Puy. Als die Stadt im Rückspiegel immer kleiner wird merke ich, dass wir bereits 90 Kilometer gefahren sind. Wo fahren wir hin?

Der Abschlepper bringt uns zu einer kleinen Werkstatt, mehr eine Garage. Es ist ein normales Grundstück. Neben der Werkstattgarage steht ein Wohnhaus mit gepflegten Blumen davor. Im Hof stehen wenige Bäume, etwas Rasen und heller Schotter. Hier wird uns geholfen?  

Der Betreiber von GB Motos hier in Saint-Germain-Laprade schraubt an einem Crossbike und begrüßt uns. Wir verabschieden uns von dem netten Fahrer, der uns trotz Sprachproblemen so viel geholfen hat. Noch im Hof messen wir die Ladespannung. Das Motorrad geht sofort aus, wenn es nicht zusätzlich am Saft hängt. „Alternateur“, da ist es wieder dieses Wort. Mir läuft es kalt den Rücken runter. Sarah ist draußen im Garten und werkelt an ihren Koffern rum. Als sie zu uns stößt schließen wir gerade einen anderen Akku an. Das Motorrad startet, läuft und die Ladespannung verrät uns eins …  

Jaaa, verdammt, es ist nicht die unendlich aufwendige und teure Lichtmaschine, sondern "nur "die Batterie 🙂

Wir freuen uns so sehr, dass wir unser blödes Grinsen gar nicht aus dem Gesicht bekommen. Wir sind so ansteckend, dass sich auch unser neuer Freund mit uns freut als er bemerkt, welche Last soeben von unseren Schultern abgefallen ist. Yeah, so geil! 

Eine viertel Stunde freuen wir uns bis unser Mechaniker aus der Werkstatt kommt und uns mitteilt, dass er den passenden Akku nicht auf Lager hat. Es ist Freitag. Er erklärt uns, dass er eine passende batterie bestellt. Die komme nach dem Wochenende und am Dienstag könnten wir weiter.  

Das bedeutet wir sitzen insgesamt FÜNF Tage fest?! Wir haben zwar keinen festen Zeitplan für die Tour angesetzt aber es ist klar: Fünf Tage bekommen wir nicht mehr kompensiert! Das sind gute fünfzehnhundert Kilometer …

Wir berichten ihm, wohin unsere Reise geht, fragen, wo wir das Teil schneller bekommen könnten, ob es eine Behelfslösung gibt und wir zu späterem Zeitpunkt die passende Batterie einbauen können?  

Der Mechaniker ist einfach super! Wir schieben vom Hof ein anders Motorrad in die Werkstatt, bauen die Verkleidung ab und holen die Batterie raus. Auch eine Honda, aber die Batterie passt  nicht. Also wieder zusammenbauen. Das war wohl nichts … Wir schließen die Batterie der Transalp an die Ladestation. Auch unsere Helme, Kameras, die Powerbank und die Handys können wir aufladen. Er beginnt durch die Gegend zu telefonieren, als wir uns umziehen und neben der Werkstatt im Schatten unseren Campingkocher aufbauen. Inzwischen ist es mittags, wir kochen eine Dose Ravioli und einen großen Topf Instantkaffee. Es ist sommerlich und drückend heiß …  

Er kommt aus der Werkstatt und meint, dass weder die großen noch die kleinen Werkstätten das passende Teil auf Lager haben. Aber er hat vielleicht eine Lösung für uns gefunden. Soweit ich ihn verstehen kann fährt er zu Kumpels von einem Motocrossclub, eventuell kann er dort eine Batterie aus einem anderen Motorrad ausbauen. Er fährt mit seinem Transporter davon und kommt 45 Minuten später zurück – mit einer Batterie in der Hand.  

Sofort versuchen wir die Batterie einzubauen. Die Batterie sieht genau gleich aus wie das Original. Doch die Ernüchterung lässt nicht lang auf sich warten. Das Bauteil ist spiegelverkehrt. Die Entlüftungsöffnung ist auf der falschen Seite, die Pole sind vertauscht. Ohne Erfolg versuchen wir Behelfslösungen zu basteln. Die Kabel sind zu kurz um sie zu kreuzen, müssten mit Klemmen verlängert werden, der Entlüftungsschlauch würde überlaufende Batteriesäure direkt in die Elektrik leiten. Keine Chance …  

 

Der Mechaniker fragt, ob er uns einen Campingplatz raussuchen soll. Nicht nur unser Zeitplan, auch unser Budget steht auf der Kippe. Die Reparatur reist eh ein Loch in die Urlaubskasse.  

Ich frage, ob wir im Garten hinter dem Haus zelten dürfen. Er geht in das Wohnhaus und fragt für uns nach. Dort wohnen zwei betuchte alte Damen. Die Jüngere ist bestimmt 70 Jahre alt und kümmert sich offensichtlich um ihre noch ältere pflegebedürftige Mutter. 

Wir dürfen unser Zelt im Garten aufstellen. Noch besser, wir dürfen das Bad benutzen um zu duschen, dürfen im Haus kochen und die Gartenmöbel stehen zu unserer freien Verfügung. Unglaublich!  🙂

Wieder sind wir erstaunt über die Hilfsbereitschaft der Menschen, die kein Wort von uns verstehen und uns nicht kennen! 

 

Der Mechaniker schließt die Werkstatt und fährt davon. Wir beschließen den angebrochenen Tag zu nutzen und die Stadt zu erkunden nahe der wir nun scheinbar gestrandet sind ... Also auf gehts nach:

Le Puy-en-Velay

Sarah & Sebastian auf Stadtbummel

Wie läuft ein Stadtbummel schon ab? Wir fahren mit dem Motorrad einmal kreuz und quer durch das historische Zentrum, parken auf dem höchsten Punkt der Stadt vor einem Museum und schlappen los. Die Helme lassen wir im Topcase. Es ist heiß, die Stadt verzaubert im historischen Zentrum mit mittelalterlichem Charme. In der Kathedrale Notre Dame von Le Puy-en-Velay staunen wir nicht schlecht über eine schwarze Madonna mit schwarzem Christuskind. Sowas hatten wir beide noch nie gesehen. Einige Flyer später war unsere Neugierde befriedigt.

Wir liefen vom Mont Anis, übrigns ein alter Vulkankegel, hinab in das belebte Stadtzentrum. Nach etwas mehr als einer Stunde in der Stadt setzten wir uns in ein Cafe. Firsch gestärkt ging es wieder hinauf auf den Hügel, wir parkten das Motorrad in die Innenstadt und gingen anschließend in einen öffentlichen - sehr cool - Wildpark.

Zuletzt ging es auf dem Rückweg einkaufen. Zeit sich für den Abend einzudecken ... Und ja, wir haben in diesem Laden wieder nur Mist gemacht und viel gelacht.

Als wir wieder ankommen steht unser Mechaniker in der Werkstatt und schraubt an seiner Cross. Unsere Batterie die an der Ladestation hing ist hinüber. Aber es gibt gute Nachrichten! Es wird noch heute eine Batterie nach Le Puy gebracht, morgen früh wird er extra in die Stadt fahren sobald die Werkstatt öffnet, diese holen und einbauen. Wir können morgen Mittag weiterfahren! 

Ist das geil oder ist das geil!?! Das Ersatzteil kommt und wir sind überhappy …  

Nach dem Abendbrot, dem ein oder anderen Bier oder Gläschen Wein nehmen wir einen Dosensixxer in die Hand und laufen ums Haus in die Werkstatt. Wir können nicht anders als unseren Helden des Tages auf ein gemeinsames Bier einzuladen.  

Unerwarteter Weise verbringen wir den Abend bis in die frühe Nacht in der Werkstatt. Mit Google Translator unterhalten wir uns. Wir bekommen viele Tipps für unsere Motorräder, sprechen über Marokko. Er zeigt uns Bilder aus dem letzten Jahr wie er mit seiner Cross über den Hohen Atlas in Marokko heizt. Gegen 23 Uhr kriechen wir in unser Zelt. Morgen würde unser Abenteuer weitergehen. 

Bis heute habe ich den Aufkleber der kleinen Motorradwerkstatt GB Moto mitten in Frankreich auf meinem Motorrad kleben. In Google Maps erscheint ein von mir am heutigen Tag geschossenes schwarzweiß Foto, egal welcher Mensch auf der Welt auf die Werkstatt klickt. Franzosen seinen nicht gastfreundlich? Die letzten zwei Tage haben uns das Gegenteil bewiesen! Mit der Einstellung: „Bloß schnell durch dieses Land durch!“ sind wir gestartet und jetzt das … Die Erlebnisse lassen mich Frankreich in einem ganz anderen Licht sehen.

 

„Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, welche die Welt nicht angeschaut haben.“ (Alexander von Humboldt) 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*