Tag 1
Tagesetappe: 475
Tourkilometer: 475
Tagesmotto: Jetzt geht's los!
Ankunft: Route de Frontenard, D996, 71270 Navilly
Schlafplatz: 46°56'10.2"N 5°09'09.9"E
Die Nacht war kurz. Der Tag beginnt im frühen Morgengrauen. Bereits um 04:30 Uhr stehe ich auf und koche Kaffee. Nach einer kalten Dusche ziehe ich meine Funktionsunterwäsche und meine Motorradklamotten an. Kaum zu glauben, welchen Staub diese auf der Reise noch abbekommen werden ...
Ich bereite das Frühstück vor und wecke Sarah. Sie richtet uns beiden einige Snacks für den ersten Tag während ich in der Morgendämmerung die Motorräder aus der Garage hole. Es ist ein kühl und ruhig, noch kein Vogel zwitschert.
Wir haben gestern bereits alles gepackt. Wir machen unseren letzten gewissenhaften Check vor der Abfahrt. Notfallmappe übergeben? Alle Karten und Pässe dabei? Ah, es fehlt noch der Schlüsseltausch. Ich stecke die Ersatzschlüssel für Sarahs Motorrad und Koffer ein, und sie nimmt meine. Sicher ist sicher. Sarah packt die Snacks in ihren Tankrucksack, ich befülle unsere Trinkbeutel. Die Sonne ist hinter dem Horizont aufgegangen. Wir sind bereit.
Choke rein, Motorrad an. Unsere Bikes zittern, heulen auf, warten darauf losgelassen zu werden.
Mit der Sonne im Rücken fahren wir auf die Autobahn. Unser Ziel ist zunächst Waldshut-Tiengen um dort einen Kaffee beim McDonalds zu holen. Wir haben uns keine Route überlegt. Das ist uns wichtig – einfach laufen lassen. Unser Plan ist so schnell wie möglich durch Frankreich zu fahren und bei Carcassonne in die Pyrenäen zu fahren. Ich hatte auf anderen Reisen bislang keine guten Erfahrungen in Frankreich gemacht, weshalb wir einfach nur schnell durch wollten.
Nach unserem Kaffee auf der Terrasse beschließen wir über die Grenze in die Schweiz zu fahren. Wir haben Zeit und erkunden etwas den Aargau. Wir fahren teilweise kleine Straßen zwischen Kuhweiden, lassen uns entspannt treiben – Hügel rauf, Hügel runter.
Nördlich von Basel überfahren wir die Grenze nach Frankreich. Die Terroranschläge von Paris sind hier noch deutlich spürbar. Im stockenden Verkehr kommen wir an einen schwer bewachten Grenzübergang. Soldaten mit Maschinengewehren winken uns über die "offene" Grenze. Es ist 11:30 Uhr, wir sind auf dem Weg nach Belfort und legen unsere zweite Pause ein.
Abgesehen von einem Tankstopp fahren wir den gesamten Nachmittag durch. Vorbei an Besacon halten wir uns süd-westlich. Bei Seurre halten wir an einem Supermarkt und gehen das erste Mal auf Tour unser Abendessen einkaufen - Später ein festes Ritual. Baguette, Käse, Pastete, Wurst, Wein und ein kleines Einkaufskörbchen. Wir sind total begeistert von den ganzen Spezialitäten in den Regalen. Zwar sind wir erst 12 Stunden unterwegs aber ganz weit weg von der Heimat. Geil!
Nachdem ich vor dem Laden zunächst mit einem Baguette verprügelt wurde beginnt die Schlafplatzsuche. Wir irren immer tiefer in das Hinterland. Auf einem Feldweg landen wir in einer Sackgasse. Sarah und ich drehen ohne abzusteigen parallel zueinander unsere Motorräder um. Es kommt wie es kommen musste. Sarah kippt mit ihrem Bike – in meine Richtung. Eine Sekunde später liegen wir beide am Boden.
Der erste Umfaller – es sollte nicht der letzte auf unserer Tour bleiben – würde uns noch mehr Probleme einbringen als uns zu diesem Zeitpunkt bewusst war.
Die Suche geht weiter, bis wir bei Navilly einen abgeschiedenen Platz gefunden haben, an dem wir unser Zelt aufstellen. Es gibt ein prächtiges Abendbrot mit „Fertignudeln“, französischen Köstlichkeiten, einem Feierabendbier und einer Flasche Wein.
Wir sind fest davon ausgegangen, an diesem Platz unsere Ruhe über Nacht zu haben. Mit dieser Ruhe war es vorüber als urplötzlich zwei Fahrzeuge über die Sandpiste um die Ecke bogen, augenscheinlich „Landfahrer“. Ein Mann kommt mit einer Schaufel in der Hand auf mich zu und fragt ob wir hier schlafen. Meine Antwort kümmert ihn nicht, es kamen mehr und mehr Personen … Das war’s mit der entspannten Nacht am Fluss.