Tag 2, 29. April Tagesetappe: 408 km Tourkilometer: 806 km Tagesmotto: Das Fahrtraining beginnt! Tageshighlight: Schnee auf dem Col de la Cayolle Ankunft: Entrevaux Schlafplatz: xx
Frisch und ausgeschlafen starten wir in unseren zweiten Tourtag. Kaffee kochen, zusammenpacken und los über die A4, vorbei an Turin ins Susatal. Zwar haben wir die West-Alpen stetig im Blick, jedoch rücken sie für uns nur viel zu langsam näher - und haben richtig Bock auf Pässe!
Wir haben geplant bis Frankreich zu fahren und dort richtig geil in einer Boulangerie frühstücken zu gehen. Auch diese kam leider viel zu langsam näher. Zu Sebi muss man wissen: Er ist dauerhungrig und niemals satt. Zu lang darf es nicht mehr dauern 😀
Nach dem ersten Pass müssen wir in Montgenèvre kurz auf der Passhöhe stoppen. Sebi hat ein ungewöhnliches, metallisches Klappern am Heck. Und siehe da, die Schrauben vom (neuen) Kettenschutz haben sich, trotz Schraubenkleber, beide gelöst und das Ding hängt halblebig in die Kette. Sebi hat es mit dem Finger festgezogen und ab ins Tal. Um das Werkzeug raus zu holen ist es hier zu kalt.
Nach 200 Kilometern kommen wir in Briançon an. Wir halten gleich an der ersten Werkstatt und Sebi kann den Kettenschutz wieder fest anziehen. Als Sicherung kommt Boxtape über den Senkkopf – die Schraube und das Blech sitzen wieder fest! Wir fahren einmal durch den Ort in Richtung Col d’Izoard. Die Schilder sind eindeutig: Ferme. Wir versuchen dennoch ein Stück hoch zu fahren, aber der Pass ist (noch) nicht befahrbar.
Endlich Zeit fürs Frühstück, naja, eher Brunch, es ist schon nach 12 Uhr. Letztlich war es ein Mittagessen auf der Terrasse des La Pt'ite Fabrique. Unser Essenstiming war die ganze Tour über – sagen wir – ausbaufähig. Aber besser spät, als nie.
Während dem Essen haben wir zusammen einen neuen Plan erstellt: Als nächstes geht’s durch das Durance-Tal über kleine Nebenstraßen zum „Lac de Serre-Ponçon“. Der schöne, blaue See hat gerade wenig Wasser. Dafür hat er umso mehr Steinstrand, den Sebi mit dem größten Vergnügen abgefahren ist. Okay ich bin ehrlich: er hat sich da ordentlich ausgetobt. Denn mit mir als Pässeanfänger ist er schon gebremst in seinem normalen Fahrstil – auch wenn er das so nie sagen würde. Er gibt mir stets Tipps, mit denen ich die Strecke besser bewältigen kann. Immer wieder finden wir Passagen, auf denen er vorrausfährt und ich seiner Linie folgen kann. Er fährt weitaus agiler als ich und manchmal düst er gerne voraus bei einer geilen Strecke. Er nutzt dann jede Gelegenheit an einer guten Stelle, packt die Kamera aus und macht ein Foto oder Video von mir. Echt klasse! Er packt dann zusammen und kommt kurz darauf wieder zu mir. Ich kann also entspannt durchfahren – das ist schon super!
Vom Lac de Serre-Ponçon fahren wir über Barcelonette zu unserem ersten großen Pass, dem Col de la Cayolle. Für mich sind die schmalen Passstraßen eine ganz ordentliche Herausforderung. Ich bin ja schon ein kleiner Schisser, vor allem wenn es tief nach unten geht. Nichtsdestotrotz fahren wir immer höher und höher bis wir die Passhöhe auf den 2.326 Höhenmetern und die riesigen Schneehaufen erreicht haben. Stolz wie Oskar steige ich vom Bike ab!
High-Five, check, geschafft!
Wir genießen den Ausblick und die Errungenschaft. Bergauf ist leichter als runter, richtig? So ergeht es mir beim Runterfahren vom Col de la Cayolle dann wirklich. Es ist kalt und immer wieder fließt Tauwasser quer über die Fahrbahn. Das gleichzeitige Bremsen und Kurvenfahren stellt mich vor eine Herausforderung. Mir fehlt die Übung, also fahre ich seeeehr langsam bergab. Sebi hat oben ein Fahr-Video aufgenommen und ist nochmal zurück um die Kamera samt Stativ abzubauen, als ich schon weiter runterfahre. Er hat seinen Spaß, als er mich überholt und ist direkt abgezischt. Ich habe mich schon gewundert, dass ich keine Funkverbindung zu ihm aufbauen kann. Unsere Helme sind fast die ganze Zeit verbunden und wir unterhalten uns. Später klärt er mich auf: Er hat doch tatsächlich mit der Helm-Freisprechanlage telefoniert, während er mit dem Motorrad den 2.000 Meter Bergpass runtergefahren ist 😀 Unglaublich …
Er wartet immer wieder, lässt mich vorbeifahren und holt mich mit Leichtigkeit wieder ein. Gefühlt wieder auf Grund und Boden merke ich, wie anstrengend der Pass für mich war. Wir halten kurz an und besprechen die Abfahrt. Was ist bergab anders, wie fahre ich die Kehren am besten an, welche Geschwindigkeit ist richtig, wo ist Vorsicht angesagt … während ich diesen Gedanken nachsinne, geht es schon weiter.
Hier in der Nähe ist „die rote Schlucht“, die „Gorges de Daluis“. Die Strecke ist wirklich schön und hat perfekt in den Tag gepasst. Diese Schlucht ist ein klarer Toutipp für jeden, der in der Gegend ist. Am Ende der Schlucht biegen wir nach links in Richtung Entreveaux ab. Dort angekommen genießen wir den wunderschönen Blick über den Fluss „Var“ auf die Zitadelle und bemerken, dass etwas zu Essen jetzt super wäre.
Wir gehen in das gemütliche „Restaurant du Pont-Levis“ mit offenem Kamin und wärmen uns bei leckerem französischem Abendessen. Wir beschließen, heute nicht weiter zu fahren und hier zu schlafen. Wir finden aber in der Umgebung keine verfügbare Unterkunft. Gut, dass mein Französisch uns hier schnell weiterhelfen kann: Ich frage den Restaurantbesitzer nach einem Tipp. Tatsächlich kann er für uns eine Unterkunft abklären und ruft gleich dort an. Er erklärt uns den Weg auf Französisch – hoffentlich finden wir es auch! Nach etwas Gegurke sind wir an der schönen Unterkunft angekommen. „La Maison de Julie“ liegt etwas oberhalb am Hang. Kleine Steinhäuschen und ein Garten mit Ziegen warten auf uns. Für Orte wie diesen ist das Wort „Idyllisch“ mehr als treffend! Unsere nette Gastgeberin empfängt uns persönlich und zeigt uns das Anwesen. Das Zimmer ist super gemütlich! Wir fühlen uns sofort wohl und nach 400 Kilometern erwartet uns hier eine erholsame Nacht. Sebi sitzt noch ein wenig draußen und sichert die Bilder vom heutigen Tag.